Sherlock Holmes und das Ungeheuer von Ulmen by Franziska Franke

Autor:Franziska Franke [Franke, Franziska]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783942446907
Google: sWtPnQEACAAJ
Herausgeber: KBV
veröffentlicht: 2013-10-14T17:00:00+00:00

16. Frankfurt

Ich wäre lieber nur mit leichtem Handgepäck nach Frankfurt gereist. Schließlich hatten wir vor, in die Eifel zurückzufahren. Aber Holmes hatte es den Einheimischen gegenüber so dargestellt, als ob unsere Rückkehr unwahrscheinlich wäre. Daher hatten wir unsere gesamten Habseligkeiten mitgenommen. In Mayen erwarb Holmes eine lokale Zeitung, die wir im Zug studierten. Der Bericht über den Mord an dem Fotografen hatte es zwar auf die erste Seite geschafft, aber es bedurfte keiner profunden Deutschkenntnisse, um festzustellen, dass sich der größte Artikel der vergeblichen Jagd auf das Seeungeheuer widmete.

»Die Gendarmerie verfolgt eine heiße Spur. Sie geht davon aus, dass der Täter bald gefasst wird«, übersetzte Holmes, als wir Ulmen hinter uns gelassen hatten. »Das heißt im Klartext, dass sie noch im Dunkeln tappt.« Holmes setzte seine Lektüre fort. »Schauen Sie nur!« Er tippte auf eine Zeile. »Hier ist die Ankündigung einer Belohnung für die Ergreifung des Mörders. Ganz, wie ich erwartet habe!«

Holmes ließ die Zeitung sinken, faltete sie zusammen und legte sie ins Gepäcknetz. Zum Glück hatten wir ein ErsteKlasse-Abteil für uns allein und mussten nicht auf andere Fahrgäste Rücksicht nehmen.

»Kann ich die Fotografien noch einmal sehen, die Sie im Haus des Lehrers gefunden haben?«, fragte ich, obwohl ich sie am Vorabend schon eingehend betrachtet hatte und leider wenig damit hatte anfangen können.

Wortlos zog Holmes einen Umschlag aus der Innentasche seines Gehrocks und überreichte ihn mir. Ich breitete die drei Abzüge auf dem Nachbarsitz aus und studierte sie. Es waren Landschaftsaufnahmen. Zwei von ihnen zeigten das Ulmener Maar bei Sonnenschein, die dritte war falsch belichtet. Nur ein paar unscharfe Büsche waren darauf zu erkennen. Mit zusammengekniffenen Augen suchte ich die Wasseroberflächen der beiden gelungenen Bilder nach einer Schwanzflosse des riesigen Fisches oder wenigstens einem dunklen Schemen im Wasser ab. Aber so sehr ich mich bemühte, ich konnte keinen Hinweis auf das Ungeheuer finden. Enttäuscht steckte ich die Fotos in den Umschlag zurück und reichte ihn Holmes.

Er brütete schon wieder über seinen Aufzeichnungen vom Vortag. Offenbar war er damit beschäftigt, die Berichte über die Sichtungen des Seeungeheuers nach Datum zu ordnen. Ohne aufzublicken griff er nach dem Umschlag und ließ ihn in seinen Gehrock verschwinden.

»Die überbelichtete Fotografie hätten wir genauso wegwerfen können«, sagte ich und schaute gelangweilt aus dem Fens ter, obwohl es draußen nur monotones Weideland zu sehen gab.

»Sagen Sie das nicht!« Holmes blickte mich an, als hätte ich ein Sakrileg begangen. »Bevor ein Fall aufgeklärt ist, wirft man keine potentiellen Beweisstücke weg!«

»Was hat eigentlich Ihre Auswertung ergeben?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln. »Zeigt sich das Seeungeheuer vorzugsweise bei Vollmond?«

»Es ist doch kein Werwolf! Bisher kann ich keinerlei Logik in den Daten erkennen. Die einzige Konstante ist, dass sich der angebliche Saurier nur bei schlechtem Wetter die Ehre gibt.«

»Er ist also schüchtern und kamerascheu«, bemerkte ich belustigt. Je weiter wir uns aus der Eifel entfernten, desto absurder erschien mir die Vorstellung, im Ulmener Maar könnte ein Urweltmonster leben.

In diesem Augenblick ging ein Ruck durch den Zug, und er kam vor einem winzigen Provinzbahnhof zum Stehen. Auf dem Bahnsteig warteten zwei Herren mittleren Alters, die in eine angeregte Diskussion verwickelt waren.

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